Rosa

Ein Bericht aus Österreich

August 2017

Treffen mit meinen Schwestern in Amerika


Mein Vater – ein Ukrainer – war zu Ende des zweiten Weltkrieges auf den Bauernhof meines Onkels in

Arnsdorf bei Salzburg – gekommen, wo er meine Mutter kennengelernt hatte und ich im Februar 1947 zur

Welt gekommen bin. Er ist dann Ende 1947 von Österreich nach Frankreich gereist. Er schrieb von dort

meiner Mutter zwei Briefe , den letzten im September 1948, in dem er von einer Rückkehr in die Ukraine

sprach. Deshalb begann ich meine – erfolglose Suche – im Osten. Nach ein paar Jahren Pause bekam ich bei

einem Treffen der Besatzungskinder in Graz den Tipp, beim Vormundschaftsgericht anzufragen, ob mein

Akt noch existiert und ich mehr über meinen Vater herausfinden könnte. Nach anfänglicher Abwehr des

zuständigen Beamten und Einschalten der Volksanwaltschaft bekam ich nochmals einen Termin zur

Akteneinsicht . Daraus habe ich erfahren, dass mein Vater in die USA ausgewandert war. Mit dieser

Information (Schwierigkeiten gab es noch mit der kyrillischen Schreibweise des Familiennamens) konnte ich

über das Österr. Rote Kreuz einen Auszug aus dem amerikanischen Sterberegister bekommen, wonach er

bereits 1996 verstorben war. Bei der Suche nach evt. Familienangehörigen konnte das Rote Kreuz nicht

mehr behilflich sein. Nach langen Nächten bei Recherchen im Internet, konnte ich vor zwei Jahren

herausfinden, dass ich in Amerika drei Schwestern habe (in Wirklichkeit nur zwei, die Dritte ist die Tochter

seiner Frau aus erster Ehe) . Diese Schwestern habe ich nun besucht:


Nun habe ich es geschafft! Nach der ersten brieflichen Kontaktaufnahme mit meinen beiden Schwestern in

Amerika habe sie nun mit meinem Mann in Amerika besucht und persönlich kennengelernt!

Mit meiner jüngeren Schwester Janit hatte ich bereits regelmäßigen E-Mail-Kontakt – sie ist 52 Jahre alt,

verheiratet und hat einen 12-jährigen Sohn. Mit meiner zweiten Schwester Mary (53 Jahre alt,

unverheiratet, Onkologie-Krankenschwester) gab es bisher nicht viel Kontakt. Aufgrund der

Familiensituation von Janit (sie ist sehr mit ihrem Sohn beschäftigt – ihn von der Schule zu seinen

verschiedenen Sport- und Musikkursen zu fahren, außerdem arbeitet sie von zu Hause als Managerin einer

Schriftstellerin – ihr Mann arbeitet in Chicago und hat nur zwei Wochen Urlaub im Jahr) habe ich mir den

Besuch und auch den Zeitpunkt gut überlegt. Wir haben unser Treffen in eine Amerika-Kanadarundreise

eingebettet, um beiden Seiten den Druck eines großen Erfolges unseres Treffens zu nehmen. Sie hat sich

dann bei unserer Abreise nochmals sehr bedankt, wie „thoughtful „ wir waren und auf Ihre

Familiensituation so Rücksicht genommen haben.


Natürlich war ich sehr aufgeregt – nach ein paar Tagen in Chicago – mit dem Besuch des ukrainischen

Viertels von Chicago, in dem mein Vater viele Jahre gelebt hatte, fuhren wir am Freitag nach St. Charles in

Illinois. Als meine Schwester die Tür öffnete und wir uns umarmten, war sofort eine große Vertrautheit

spürbar. Meine Tränen flossen, als sie mir ein wunderschönes Fotobuch – mit Fotos meines Vaters – als

Willkommensgeschenk überreichte. Sie wohnen in einem sehr schönen Haus und stellten uns ihr großes

Schlafzimmer mit wunderschönem angrenzenden Bad für die Dauer des Aufenthaltes zur Verfügung. Nach

kurzer Zeit kam auch mein Schwager Ruben (seine Mutter ist Mexikanerin) nach Hause, der mich ebenfalls

sehr herzlich begrüßte. Er sagte uns, wie aufgeregt Janit war und er es so mutig von mir fand, den ersten

Schritt zu tun und eine so weite Reise für unser Kennenlernen zu unternehmen. Sie luden uns dann zum

Abendessen in ein schönes Restaurant ein , wo wir uns in entspannter Atmosphäre weiter kennen lernen

konnten.

Am nächsten Morgen kam meine Schwester Mary – auch sie ist eine sehr herzliche Person und wir waren

einander sofort vertraut. Auch ihr Willkommensgeschenk hat mich aus der Fassung gebracht: Sie schenkte

mir ein goldenes Kreuz, das mein Vater immer als Anhänger getragen hatte (er war sehr gläubig) und einen

Muttergottesanhänger (er war ein großer Marienverehrer).

Später kamen dann noch Joan (Schwester aus der ersten Ehe ihrer Mutter) mit Tochter und Enkelkindern.

Wir haben den ganzen Tag Fotos geschaut, gegenseitig über unser Leben erzählt. Mein Schwager Ruben hat

gegrillt, es kamen außerdem noch Nachbarn und eine Freundin meiner Schwestern vorbei!

Als wir am nächsten Tag unsere Weiterreise antraten (mit Geschenken für unsere Enkelkinder) war ich mir

nun ganz sicher, mit meinen Schwestern nun meine wirklichen Wurzeln und einen Teil meiner Familie

gefunden zu haben. Interessant ist auch, dass (so wie ich) alle fanden, dass wir drei eine Ähnlichkeit haben

(zumindest im Augenbereich).


Ich bin mir nun ziemlich sicher, dass sie uns– nachdem sie uns kennengelernt haben, wahrscheinlich schon

im nächsten Jahr in Österreich besuchen werden.

Wir haben dann mit einem Mietauto eine schöne Rundreise über die großen Seen weiter nach Toronto und

den Niagarafällen gemacht. Es war eine so schöne Reise - mit der inneren Dankbarkeit für das schöne

Treffen - das Land und die Leute kennen zu lernen, in dem mein Vater ein Großteil seines Lebens verbracht

hat und in dem meine neue amerikanische Familie lebt. Nach dem Besuch der Niagarafälle sind wir über

Cleveland und Elkart (Besuch des Amish-countries) zurück nach Chicago, wo wir mit großer innerer

Dankbarkeit den Heimflug antraten.

Von meiner Schwester Mary habe ich nun doch noch Adressen von Verwandten aus der Ukraine

bekommen. Die Adressen sind zwar 20 Jahre alt, doch hoffe ich, nun auch noch Verwandte in der Ukraine

kontaktieren zu können . Vater hatte sehr viel in die Ukraine geschrieben, doch sind keine Briefe mehr

vorhanden. Mein Wunsch ist es, eventuell im nächsten Jahr in die Ukraine zu fahren, und das Geburtsdorf

meines Vaters zu besuchen.


Ich möchte mich bei euch allen heute nochmals für die Unterstützung bei meiner Suche zu bedanken.

Ohne die Gruppe der Besatzungskinder hätte ich meine Suche nicht so intensiv verfolgt und meine

Schwestern nie gefunden!

Rosa K.