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Reise nachRussland vom 1. – 18. Oktober 2024
Wo soll ich anfangen, wie in Kürze beschreiben, was ich alles an Wunderbaren beidieser Russlandreise erlebt habe?
Allein die Hinreise dauert nun (seit 2 ½ Jahren) – je nach Transportmittel -mindestens 12 - 20 Stunden und ist ein Abenteuer für sich. Diesmal wählte ich die Route über Baku nach Moskau. Kam mitten in der Nacht am Airport Domodedovo an. Glücklicherweise habe ich überall gute Freunde. So auch in der Stadt Domodedovo. Sergeij Tiunov holte michab. Kurz geschlafen, am Vormittag mit Sergeij zur Bank, denn ich hatte Geld mit von österreichischen Russenkindern für ihre Verwandten in Russland, und russische SIM-card kaufen. Dann gleich weiter nach Tjumen – aber über einen anderen Moskauer Flughafen.
Warum Tjumen in Sibirien? Natalia Spiridonova, die Produzentin des Films «Я найдутебя, отец» (Vater, ich finde dich) hatte mich eingeladen. Sowohl nach Tjumen als auch nach Jekaterinburg, wo der Film beim Festival des historischen Dokumentarfilms gezeigt wurde.
Von Domodedovo zumFlughafen Vnukovo muss man allerdings zuerst mit der Elektritschka (Bahn) nach Moskau hinein, dann mit der Metro zweimal umsteigen bis zum Flughafen. Dort angekommen, sah ich auf der Anzeigentafel, dass der Flug zwei Stunden Verspätung hatte! Also saß ich dort viele Stunden bis wir endlich um 23:30 abflogen. Ankunft in Tjumen um 4:15frühmorgens (Zeitverschiebung +zwei Stunden), auch hier holte mich ein netter Student ab und brachte mich ins Hotel. Inzwischen war es 5:15. Erst gegen 6 Uhr früh schlief ich ein, musste aber vor 8 Uhraufstehen, mich fertig machen. Beim Frühstück traf ich Natalia und ihren Sohn. Um 9 Uhr war Abfahrt zum Veranstaltungsort.
An diesem Tag sahen wir zwei Filme, ich musste aber kämpfen, damit mir die Augen nicht zufallen. Am Nachmittag schwänzten wir den Film und erholten uns ein wenig. Unser Film wurde zum Glück erst am nächsten Tag gezeigt. Der Kinosaal war voll von jungen Menschen, Studenten der Universität. Vor dem Film ein Interview. Nach dem Film teilten wir einige Exemplare meines Buches aus, alle wollten eine Widmung, umarmten mich, waren sehr berührt von meiner Geschichte. Mich wiederum freute besonders, dass junge Leute mit diesem Thema bekannt wurden. Ich appellierte an sie, meine Vatersuche zu verbreiten, man weiß ja nie. In 80 Jahren können Menschen auch nach Sibirien umgezogen sein.
Am nächsten Abend fuhren Natalia, ihr Sohn und ich mit dem Zug nach Jekaterinburg. Wieder war es fast Mitternacht, als wir im Hotel ankamen, doch jetzt war ich schon ausgeschlafen. Gleich am nächsten Morgen gingen wir zum Dom Kino, wo das Festival bereits den 6. Tag dauerte. Natalia staunte sehr, als in der Eingangshalle bereits zwei Männer auf mich warteten. Ich hatte Sergeij Lipachov und Dima Kropachev eingeladen zu kommen. Sergeij aus Asbest kenne ich seit 2007, er hat sehr viel bei der Vatersuche mitgeholfen. Dima wiederum ist der Sohn der inzwischen leider an Covid verstorbenen Valentina aus Beresniki, die fest glaubte sie wäre meine Schwester. Ein DNA-Test hat das aber widerlegt.
An diesem letzten Festivaltag wurden nur zwei Filme gezeigt. Im großen Kinosaal war zahlreiches Publikum, darunter wieder viele junge Menschen. Unserer war der Erste. Nach dem zweiten Film gab es eine Diskussion. Wir mussten auf die Bühne. Inzwischen war es mir schon egal, vor dem Publikum holpriges Russisch mit Fehlern zu sprechen.
Die Preisverteilung war für 17 Uhr angesetzt. Im Laufe dieser Woche wurden über 50 Filme gezeigt. Natalia warnte mich noch, ich solle nicht enttäuscht sein, wenn wir keine Auszeichnung bekommen, da so viele hervorragendeFilme gezeigt wurden. Doch ich hatte mir sowieso keinen Preis erwartet. Plötzlich wurde unser Film aufgerufen! Alle drei gingen wir auf die Bühne. Die Moderatorin, welche die Preise übergab staunte sehr, dass wir persönlich da waren (viele andere Preisträger waren nicht zugegen). Und umso mehr, dass die Hauptdarstellerin ausÖsterreich anwesend war! Ich hielt das Diplom für den Regisseur in Händen, während Natalia eine Vase bekam. Nachher wollte sie mir diese unbedingt geben. Ich bat Natalia inständig, die Vase zu behalten. In Russland ist es beleidigend, ein Geschenk nicht anzunehmen. Doch mein Koffer war sowieso so voll und schwer, ich konnte nicht mehr.
Am nächsten Morgen auf zum Flughafen. Da kam Tatjana, die Moderatorin von gestern, in die Hotellobby und brachte mir ein wunderschönes Seidentuch mit russischen Motiven. Auch ihr Mann, Stanislav, war dabei. Das Seidentuch konnte ich annehmen, es war federleicht. Sie führten mich mit dem Taxi zum Flughafen! Wieder zwei neue Freunde gewonnen. InTjumen waren es vier neue Kontakte!
Landung am Moskauer Airport Scheremetjewo. Das war jetzt schon der dritte Flughafen inMoskau. Doch dort kenne ich mich aus. Aeroexpress zur Metrostation Bjelorusskaia, dann drei Stationen bis Komsomolskaia, über Stiegen und eine holprige Straße zum Leningradskij Bahnhof. Ein Ticket nachTwer kaufen und schnell mit dem ganzen Gepäck zum Zug laufen. Ich erwischte ihn gerade noch. Ein Glück, denn ich wurde am Bahnhof von Twer von meiner lieben Freundin Lena erwartet. Bisher war mir immer viel zu heiß im Wintermantel, das schwere Gepäck, Beeilung. In denZügen, am Airport, im Flugzeug, überall war geheizt. Doch in Twer war es ziemlich kühl. In den Wohnungen noch keine Heizung. Die meisten Menschen haben Fernheizung, und die wird allgemein gebietsweise eingeschaltet.
Nicht nur Lena erwartete mich, auch Olga von der Bibliothek. Sie war die Organisatorin meiner ganzen Woche in Twer. Dann kam noch Katja dazu,sie fuhr uns mit dem Auto heim zu Lena, denn es regnete leicht.
Am nächsten Tag fand die erste Filmvorführung in der großen Gorki-Bibliothek statt.Viele Jugendliche, auch Schüler sahen den Film und waren von unserer Geschichte berührt, ähnlich wie in Tjumen. Das lokale Fernsehen und der Sender Rossia 1 schickten junge Journalisten, die mich interviewten. Es folgte eine Führung durch die Bibliothek mit Olga. Ich konnte nur staunen, wie viele Abteilungen, wie viele Lesesäle, unglaublich viel Material für alle Sparten. Es gibt praktisch alles dort. Das historische Gebäude ist auch sehr schön und eindrucksvoll.
Eine große Schule für mehr als 2000 Schüler am Stadtrand war der Veranstaltungsort für die zweite Filmvorführung am nächsten Tag. Viele Schulen haben eine Art Museum, eine Gedenkstätte an den 2. Weltkrieg. In diesem großen Saal wurde unser Film den Schülern der höheren Klassen gezeigt. Ein Teil erschien in der Uniform ihrer jeweiligen Ausbildung, z.B. für verschiedene Berufe in der Luftfahrt, zumMilitär oder Feuerwehr und Katastropheneinsatz. Ähnliches Bild wie am Vortag. Die jungen Menschen umringten mich, stellten Fragen, zeigten ihr Interesse. Ich war sehr froh und wiederholte meinenAppell, die Vatersuche zu verbreiten.
In den nächsten Tagen zeigten mir Olga und Katja verschiedene kleine, aber außergewöhnliche Museen in Twer. Überall erzählte Olga den Museumsführern oder Leitern in Kürze meine Geschichte. In einem der Museen bot man mir an, ich solle kurz über meine Vatersuche schreiben, sie werden es samt Foto von mir im Museum aufhängen und die Besucher darauf aufmerksam machen.
Am Ende der Woche machte mich Juri, einer meiner Suchhelfer, mit Ljudmila, derSenatorin des Gebiets Twer, bekannt. Wir trafen uns in der Wohnung von Lena und saßen um den winzigen Küchentisch. Das ist traditionell typisch in Russland. Sie erschien mir sehr freundlich, herzlich und ehrlich in ihrem Versprechen alles in ihrer Macht Stehende für mich zu tun.
Am Nachmittag stand ein Runder Tisch in der Bibliothek am Programm. Ca. 10 Experten überlegten neue Ideen der Suche. Obwohl ich dachte, wir haben ohnehin schon alles versucht, gab es überraschenderweise noch neue Vorschläge. Alle diese Leute sind so bemüht, mir bei der Vatersuche zu helfen! Es ist so berührend, ich schulde ihnen großen Dank.
In Twer war es kalt geworden, nun brauchte ich alle meine Wintersachen! Für die letztenTage meiner Reise fuhr ich nach Moskau, zu meinen lieben alten Freunden, wo ich immer wohnte. Nur dass nun Tatjana, meine allerliebste und allererste Freundin in Moskau, nicht mehr da war.Sie verstarb vor zwei Jahren, knapp zwei Monate nach meinem Besuch imJahr 2022. Ich hatte ein wenig Angst vor dem ersten Treffen seiti ihrem Tod mit ihrer Familie. Doch umsonst. Sie hatten so lange und so intensiv um sie getrauert, dass sie einfach nur froh waren, mich wiederzusehen. Ich wurde herzlich aufgenommen.
Wenn ich dachte, ich verbringe die letzten Tage in Moskau geruhsam, weit gefehlt! JedenTag ein Treffen oder mehrere. Allen voran wollte ich Jurij Eltekov wieder sehen. Jahrelang hatte ich nichts mehr von ihm gehört. So vermutete ich, er wäre nicht mehr am Leben. Beim letzten Treffen 2018 war er 95. Als mir Natalia Spiridonova versicherte, er wäre am Leben und 101 Jahre alt, ließ ich mir sofort die Telefonnummer seiner Frau Nina geben. Sie meinte, sie freue sich auf meinen Besuch. Warum sie mich nicht kontaktiert hat all diese Jahre, verstand ich nicht. Und Juri konnte anscheinend nicht mehr mails oder das Telefon beantworten. Jedenfalls freute er sich sehr über meinen Besuch. Für dieses hohe Alter war er noch erstaunlich gut beisammen.
Ein anderes Treffen war mit der Großnichte von Erwin, ein Befreiungskind wie ich. Sie übergab mir für ihn Fotos von seiner Familie in Saratov.
Einmal fuhr ich den weiten Weg (ca. 1 ½ Stunden mit Metro und Bahn) nach Podolsk. Ich wollte unbedingt den Mann aus Novosibirsk treffen, der intensiv dieSpur meines Vaters im Zentralarchiv suchte. Bei grausigem Wetter, Schneeregen und kalt wartete ich lange beim Bahnhofsausgang. Als er schließlich kam, hatten wir nur wenig Zeit zum Plaudern. Er musste noch den letzten Bus zu seiner Unterkunft erwischen. Aber ich war froh und mir war die lange Fahrt wert, diesen wunderbaren Menschen persönlich kennengelernt zu haben. Er ist sich sicher, meinen Vater zu finden, wenn nicht dieses Jahr, so nächstes. Jedes Jahr verbringt er einen Monat in Moskau für seine Nachforschungen.
Ein Besuch galt meinem russischen Verleger Andreij Sorokin im Archiv für sozio-politische Geschichte. Er hatte ja freundlicherweise je 12 Bücher nach Tjumen und nach Twer geschickt.
Ein weitererHöhepunkt war die Einladung der Senatorin Ljudmila Skakovskaia in den Sowjet Federazii (Rat der Föderation), wo alle 98 Gebiete Russlands vertreten sind. Das ist ein riesengroßes Gebäude im Zentrum, außen eher unscheinbar, doch innen wie ein Palast. Nicht einfach, dort hinein zu kommen. Ich war eine Privilegierte, mit Einladung. Trotzdem waren die Kontrollen sehr streng. LjudmilasSekretär führte mich zu ihrem Büro. Sie wiederholte ihr Engagement in meinem Fall. Dann wollte sie mit mir eine Fotosession machen, an den wichtigsten und schönsten Orten dieses Gebäudes. Z.B. ein Luster in Form eines Eiszapfens, der über sechs Stockwerke reicht.
Der Abend des Abflugs kam. Überraschend teilte mir Vitalij Semionov, Historiker und Genealoge mit, er wird mich abholen und mich zum Flughafen begleiten. Ich glaubte schon, ich werde ihn diesmal nicht sehen, er war die ganze Zeit auf Reisen. Ich freute mich natürlich sehr. Auch war er eine große Hilfe mit dem Gepäck in der Metro und beim Umsteigen.
Sogar am Flughafen erwarteten mich noch Bekannte! Und zwar die Verwandten von Monika (auch ein österreichisches Russenkind). Zufällig war es Vitalij, der ihren Vater und die Verwandten fand. Freudige Begrüßung! Mit den drei Nichten von Monika und Denis, dem Mann einer der Nichten, verbrachte ich noch eine angenehme und fröhliche Stunde bis zum Boarding. Sie gaben mir ein Geschenk für Monika mit.
Somit bin ich nicht nur die Vatersuchende, sondern auch das Bindeglied zwischen den Russenkindern in Österreich und ihren Verwandten in Russland. Und drittens – nicht weniger wichtig: ich möchte den Menschen in Russland sagen und zeigen, dass nicht alle in Österreich und in derEU russlandfeindlich eingestellt sind.
Die Rückreise erfolgte über dieselbe Strecke wie die Hinreise. Auf der Strecke Moskau – Baku saß ich neben einem freundlichen Ehepaar aus Twer! In Baku neuerliche Überraschung! Beim Boarding nach Wien traf ich Anja, eine Moskauer Studentin, die in Wien studiert. Sie war auf der Rückreise von einem Besuch bei ihren Eltern. Wir sind seit einemJahr bekannt. Ein weiterer kurioser Zufall: in Tjumen fragte mich ein Herr beim gemeinsamen Mittagessen, ob ich Anja kenne, weil er wusste, dass ich aus Wien bin. Er war ihr Professor in Moskau!
So ging eine wunderschöne, ereignisreiche und interessante Reise zu Ende.
Eleonore Dupuis 10. November 2024
Link zum GoogleAlbum der Fotos Russland 2024:
https://photos.app.goo.gl/T1swXKhe5uBxboV68
https://disk.yandex.ru/i/NWhb5Dgtb6lKgg Документальныйфильм «Янайду тебя,отец»(Vater, ich finde dich) mit deutschen Untertiteln.
https://www.youtube.com/watch?v=-b-3_CablzU&t=1s (nur russisch)
Meine Russlandreise 26.9. – 14.10.2018
Endlich wieder einmal – nach 2 ½ Jahren - für einen längeren Zeitraum nach Russland! Dazwischen waren zwar die wunderbaren Kurzreisen zum 9. Mai nach Moskau und 2016 durfte ich Monika begleiten, als sie zum 1. Mal ihrem Vater begegnete.
Doch diesmal gab es wieder genug Zeit, um Freunde zu besuchen und – so hoffe ich – etwas in unserer Sache, der Suche nach den Vätern, weiterzubringen. Da wir nun auf die Unterstützung von Außenminister Sergeij Lavrov zählen können, ist die Hoffnung größer.
Zuallererst möchte ich mich bei allen, die mich so freundlich und herzlich empfangen haben, ganz innig bedanken! Was täte ich ohne Tatjana und Dmitrij, bei denen ich wohnen durfte und aufs Beste verköstigt wurde! Jeder Tag war ausgefüllt mit Treffen der verschiedensten Menschen, ich habe mich über alle sehr gefreut. Einmal habe ich sogar in einer russischen Schule, in der Englischstunde, den jungen Leuten der Abschlussklasse aus meinem Leben erzählt. Sie waren sehr interessiert, ein besonders Erlebnis!
Moskau ist wieder moderner geworden, man kann nur staunen, wie schnell das geht. Der neue, riesige Park „Sarjadje“ ist jetzt eröffnet, dort, wo einst das größte Hotel der Welt, das Rossija, stand. Daraus ist ein großer Landschaftspark mit Hügeln und Tälern geworden, einer Aussichtsbrücke, die halb über den Fluss Moskwa führt, mit Pflanzen und Bäumen aus ganz Russland, einer Freilichtbühne, einer großen Konzerthalle usw. Moskauer wie Touristen schätzen diese neue grüne Lunge mitten in der Stadt, neben dem Kreml, sehr.
Sogar das ВДНХ, das große Ausstellungsgelände aus der Sowjetzeit mit seinen Pavillons aus allen früheren Teilrepubliken, ist inzwischen renoviert worden und die Pavillons der einzelnen Länder erstrahlen in neuer Pracht. Wunderschön!
Meine Suche führte mich auch nach Nischnij Novgorod, zu Sergeij, dem Enkel eines „möglichen“ Vaters. Wir haben einen DNA Test gemacht, den ich dann in Moskau ins Zentrum für Genetik gebracht habe. Auf das Resultat warten wir noch. Die Familie von Sergeij hat mich sehr liebenswürdig aufgenommen und auf echt russische Weise bewirtet. Ich war zum 1. Mal in dieser Stadt. Wir machten einen ausgedehnten Spaziergang durch das Zentrum, leider war das Wetter nicht so günstig, sehr windig und kalt.
Es war eine sehr schöne Reise mit so vielen Eindrücken, die ich gar nicht in Worten wiedergeben kann. Um eine Erkenntnis bin ich jedoch reicher geworden: das alles habe ich meinem bis jetzt unauffindbaren Vater zu verdanken. Wäre die jahrelange Suche nach ihm nicht so schwierig, hätte ich das alles nicht erlebt. Merci Papa! Спасибо!
Link zu den Fotos:
20.10.2018
Eleonore Dupuis
Ein Interview ist in "Russia Beyond" im Internet veröffentlicht worden. Der Begriff Kinder des Feindes wird leider noch benutzt. Aber das verkauft sich wohl besser.
Liebe Russenkinder und Freunde,
Längst wollte ich Euch schon einen Bericht von unserer ereignisreichen Moskaureise schreiben. Ich bin aber erst vor ein paar Tagen heimgekommen und es war (und ist) so viel zu tun, dass ich kaum nachkomme. Und morgen fahre ich schon wieder für eine Woche fort. Deshalb will ich Euch schnell ein wenig erzählen.
Durch die Teilnahme von so vielen lieben Menschen, Freunden und Familie, ist die Buchpräsentation zu einem wahren Fest geworden. Noch vor einem Jahr hätte ich von einer derart großartigen Veranstaltung nicht einmal geträumt. Der riesengroße Saal in der RGGU (Uni) war schon beeindruckend genug, und als er sich nach und nach mit so vielen bekannten Gesichtern füllte, war meine Freude groß! Wie komme ich dazu, dass zu meiner Buchpräsentation ein so hochkarätiges Präsidium Ansprachen hält, der ORF filmt und Leute aus ganz Russland, sowie Österreich und Frankreich im Saal sind? Ich konnte nur staunen!
Besonders glücklich war ich über die Anwesenheit meiner Kinder und Enkelkinder aus Frankreich und Österreich. Und ebenso, dass drei der „Russenkinder“ aus Österreich und sogar eines aus Deutschland mit waren. Wir alle trugen Schals in den zwei Landesfarben, die uns Renate aus Florida geschickt hatte, damit sie im Geiste auch dabei sein kann. Einige von uns, die schon ihre Familien gefunden hatten, bekamen Besuch von ihren Halbgeschwistern, die eigens aus Smolensk, Orjol, Tichorezk und sogar aus Minsk angereist kamen. Meine russischen Freunde kamen ebenfalls von weither: aus Beresniki (Ural), St. Petersburg, Ustjuschna, Twer sowie aus der Umgebung von Moskau, Domodedovo, Podolsk, Nikolo Urjupino usw.
Auf mich hat das alles sehr feierlich gewirkt. Die Begrüßung des österreichischen Botschafters war sehr herzlich, er hat vor allem vom Völkerverbindenden gesprochen, das ist uns sehr wichtig. Auch die Reden der anderen Vortragenden waren sehr positiv. Meine Arbeit ist ständig gelobt worden, was mir fast schon zu viel des Guten war. Aber wenigstens haben meine Kinder einmal gesehen und gehört, dass mein Bestreben, die russischen Wurzeln zu finden, von vielen anerkannt wird.
Mein russischer Verleger meinte, solch großartige Buchpräsentationen sind heute in Russland selten geworden. Umso mehr freut es mich, dass meine Geschichte, dieses kleine Büchlein, eine derart große Menschenmenge in die RGGU gebracht hat.
Aber auch sonst war jeder Tag ein Höhepunkt: der überaus herzliche Empfang im kleinen Museum der 4. Gardearmee, mit Konzert, Mittagessen, Blumen und Geschenken hat uns wirklich überrascht.
Am nächsten Tag Treffen bei Sergeij Netschajew im Außenministerium! Wieder etwas Besonderes. Die Kremlbesichtigung für alle, auch ein Geschenk von Herrn Netschajew. Ich glaube, man bekommt sonst nicht so leicht eine Führung im Großen Kremlpalast.
Als alle wieder heimflogen, ging es für mich weiter: Buchpräsentation in Domodedovo, arrangiert von Sergeij Tiunov. Obwohl es nur eine kleine Veranstaltung war, hat er ein beachtliches Programm vorbereitet, mit Videofilmen von Schdi menia, eine Sängerin, die zum Buffet russische Lieder sang und sogar ein Team von TV Podmoskovje 360 war da.
Weiter ging es für mich mit Besuchen von Freunden in verschiedenen Orten, dann die Präsentation in der Bibliothek in Twer. Auch dort haben meine Freunde bei der Organisation mitgeholfen. Im Saal waren ca. 50-60 Sessel aufgestellt und er wurde fast voll. Diesmal kamen noch meine Bekannten aus Uglitsch und Vyschny Volotschok, die es nicht nach Moskau schaffen konnten. Somit habe ich fast alle meine russischen Freunde gesehen und viele Bücher verteilt. Der Verlag war sehr großzügig mit Autorenexemplaren, sodass jeder ein Gratisexemplar bekam. Viele haben aber noch Bücher dazugekauft.
Wieder zurück in Moskau konnte ich zwar keinen Passierschein für die Parade am Roten Platz bekommen, aber viel mehr als die Parade hat mir am Nachmittag im Fernsehen der Marsch des «бессмертный полк» (Unsterbliches Regiment) gefallen. Tausende und Abertausende Menschen marschieren mit Fotos ihrer Angehörigen der damaligen Roten Armee. Es sind die Kinder und Enkelkinder der siegreichen Soldaten, oft auch der Gefallenen oder Vermissten. 700.000 allein in Moskau. Diese Bewegung ist erst zwei Jahre alt, es ist keine politische oder parteiische, es sind die Menschen, die nicht wollen, dass diese Soldaten vergessen werden. Und das ist ganz in unserem Sinne! Es war sehr beeindruckend!
Somit ist eine unvergessliche Reise wieder zu Ende, aber die Erinnerung bleibt!
Eure Eleonore
April/Mai 2016
PS.: auf der Webseite
steht schon ein interessanter Bericht mit vielen Fotos.
Und wer noch den ORF Bericht aufrufen möchte (in der TVthek ist er nicht mehr), der kann ihn auf der russischen Webseite
https://russian.rt.com/inotv/2016-05-07/ORF-Avstrijskie-deti-okkupacii-ishhut sehen (auf deutsch)
außerdem gibt es noch das Interview in Domodedovo auf
http://360tv.ru/news/avstrijskaya-doch-sovetskogo-soldata-ishet-otca-v-rossii-55299/
Liebe Distelblüten,
Bei der Vorstellung ihrer ins Russische übersetzten Biographie hat Leonore Dupuis ein Tor aufgestoßen: die Menschenverachtung des Krieges, dass die herrschende Macht sich anmaßt zu definieren, wer Freund und wer Feind ist und die wirkliche Erfahrung des Einzelnen leugnet, wurde thematisiert. Es ging um Liebe und Verantwortung. Bei dieser Veranstaltung war kein Platz für die durch Gewalt entstandenen Kinder, das hätte an dem Tag nicht gepasst. Aber wer weiss, wie es noch weitergehen kann.
Ich hatte mich der österreichischen Gruppe angeschlossen, war herzlich aufgenommen, auch meine Freundin, die aus Interesse mitgekommen war. Der Herausgeber von Leonores Buch war da, die Übersetzerin, mein Bruder war mit dem Nachtzug aus Minsk gekommen. Die offizielle Besetzung des Podiums kennt Ihr aus dem Programm, es war recht feierlich. Renate aus Florida hatte Schals gehäkelt für die drei österreichischen Russenkinder in den russischen und österreichischen Nationalfarben, für mich entsprechend deutsch.
Es gab natürlich auch Tourismus pur. Moskau ist riesig, quirlig, überall wird gebaut, viel Altes renoviert oder vernichtet, auf jeden Fall war die Zeit zu kurz.
Ich wünsche Euch einen schönen sonnigen Tag, gute Gesundheit und Genesung
Herzlichst
Marianne
9. Mai: Marsch des Unsterblichen Regiments
Über Olga Pavlenko, Vizerektorin an der RGGU, wo voriges Jahr mein Buch „Befreiungskind“ auf Russisch „Я найду тебя, отец» vorgestellt wurde, bekam ich eine Einladung, am 9. Mai in Moskau am Marsch des „Unsterblichen Regiments“ (Бессмертный полк). Völlig überraschend und ganz kurzfristig. Ich darf auch eine 2. Person aus unserer Gruppe mitnehmen. Alles musste sehr schnell gehen. Die offizielle Einladung des Organisationskomitees bekamen wir in letzter Minute, um noch den Visumantrag beim russischen Konsulat in Wien einzureichen.
Wir fliegen am 8. Mai nach Moskau, am 9. Mai nehmen wir am Marsch gegen das Vergessen teil und am 10. Mai ist unser Rückflug.
Diese Einladung ist eine große Ehre und Auszeichnung, nicht nur für mich und mein Buch, sondern auch allgemein für unser Thema „Befreiungskinder“. Es bedeutet die offizielle Anerkennung von uns Kindern mit sowjetischen Vätern.
Ich werde danach noch berichten und hoffentlich ein paar Fotos schicken können.
Eure Eleonore aus Wien.
Zum Bericht: 9. Mai 2017 in Moskau.
2017: Eleonore Dupuis stellte ihr Buch auch in New York vor. Im Rahmen des Russian-American Cultural Centers wurde diese Präsentation durchgeführt. Der Bericht dazu hier und im Gästebuch.
Am 26.4.2016 wurde die russische Übersetzung in Moskau vorgestellt. Einladungstext:Info dazu hier.