Treffen 2024

Vom 12. bis 14. April 2024 trafen wir uns wieder im Gästehaus in Leipzig. Wir hatten uns kein strenges Programm vorgenommen, aber viel Zeit zum Austausch eingeplant.


Es gibt uns als Gruppe nun zehn Jahre. Was sind zehn Jahre?

Im Leben eines Mensch viel oder wenig. Unser letzter Lebensabschnitt.

Wir sind älter geworden, haben uns verändert, nicht nur optisch.

Wir haben etwas gewonnen, was wir alle vorher nicht hatten, den Austausch mit Gleichbetroffenen.

Wir haben eine Vertrauensgemeinschaft gefunden, die sich auf unsere Herkunft und unsere Identität gründet.


Niemand hat sie uns vorher so gegeben, nicht die Gesellschaft und nur wenig die Familie.


Vor einer Woche saßen wir, 15 Russenkinder, als solche haben wir uns vor zehn Jahren zusammengefunden, erwartungsvoll in der Runde, waren gespannt und neugierig auf die Texte, die wir geschrieben und an Marianne geschickt hatten.

Nur sie kannte alle. Es war schon eine Herausforderung sie selbst zu lesen. Es ging nicht ganz ohne etwas Salz in den Augen.

Vom frühen Vormittag bis zum Nachmittag hatten wir unterschiedlich unsere Emotionen zu bewältigen.

Von den anfänglichen Neun unserer ersten Zusammenkunft waren Fünf anwesend. Zehn aus der Runde sind im Verlaufe der Jahre dazu gekommen und haben im Distelblütenbuch keine Geschichte. Umso bewegender ihre Beiträge, voller Offenheit und Vertrauen.

Ein "Grußwort" gab es von unseren beiden Psychologen Heide Glaesmer und Marie Kaiser, die uns von Beginn an begleiten, beide waren am Freitag auch da und denen unser Dank gilt, mit ihnen haben wir eine freundschaftliche Verbundenheit entwickelt.


Ein weiteres Grußwort gab es von Eleonore aus Wien. Als österreichisches Russenkind war sie bei uns das zweite Mal dabei.

Sie berichtete über einen Film, der demnächst erscheinen wird und in dem sie mitwirkt.

Besondere Grüße übermittelte Marianne von ihrer Freundin Olga aus Moskau, die sich mit wohlwollenden und wohltuenden Worten an uns richtete.

Wir haben uns nun entschlossen, aus den Texten ein Büchlein zusammenzustellen.

Es wird bald fertig sein. Wer ein oder mehrere Exemplare möchte, sollte sich bei Winfried melden. Das Buch wird ca. 80 Seiten haben. Die Druckkosten liegen bei 6 €. Ein späterer Nachdruck als Einzelexemplar ist auch möglich, wird aber teurer.

Die Hauptaussage wird sein, dass wir, einstige Schattenkinder, die auf der Grafik gesichtslos dargestellt sind, mit unserem Namen und unserem Gesicht aus dem Schatten getreten sind.


Am Freitag Abend gab es eine kleine Fotorückschau auf die vergangenen zehn Jahre. Diese hatte Winfried vorbereitet. Michael L. brachte einen Beamer mit. Auch anhand der Fotos wurde deutlich, wie wir als Gruppe gewachsen und als Menschen zusammengerückt sind

und es sindFreundschaften entstanden.

Aus neun Distelblüten ist ein ganzes" Distelblütenfeld" geworden. Diese Bezeichnung hatte uns unser Reinhard Bubig gegeben, der leider verstorben ist. Ein Wort des Gedenkens gab es für die, die uns schon verlassen mussten.


Winfried informierte über die internationalen Kontakte, Tagungen verschiedener Unis, an denen einige teilgenommen hatten, Interviews, die geführt wurden. Es gibt Studenten, die zum Thema Kinder des Krieges arbeiten, auf unsere Erfahrungen und nicht zuletzt auf unser Buch DISTELBLÜTEN zurückgreifen.

Die Medienpräsenz ist erwähnenswert vom Erscheinen der GEO 2015 bis hin zu überregionalen und regionalen Beiträgen über Einzelne von uns.

Alle Aktivitäten konnten gar nicht genannt werden.


Es hat sich viel bewegt und wir alle haben viel bewegt, sind mit unseren Herkunftsgeschichten an die Öffentlichkeit gegangen. Manche zu Lesungen, Vorträgen oder Gesprächskreisen im persönlichen Umfeld.

Und was das Wichtigste ist, liebe Freunde, wir selbst haben dabei am meisten gewonnen, haben die teilweise Jahrzehnte andauernde Scham überwunden und die befreiende Wirkung des Sprechens erfahren. Bei manchen dauert dieser Öffnungsprozess noch an. Die Menschen begegneten uns ohne Vorbehalte und das sollte weiter Mut machen, auch in der gegenwärtigen Situation.

Bei alledem blieb noch Zeit, dass Michael - Alexander Lauter sein neues Buch " In unruhigen Zeiten " vorstellte und daraus las. Er schreibt über die bewegte Liebesgeschichte seiner Mutter, seines Vaters und seines Stiefvaters, den er seinen zweiten Vater nennt. Auch das gab es.


Und, liebe Distelfreunde, wir tranken auch echten russischen Wodka.


Zum Vormerken! :

Unser nächstes Treffen wird am 24. April 2025 in Leipzig sein, wir haben im Gästehaus reserviert.


Eine erste Planung sieht vor, dass wir am 25.04.25 nach Torgau reisen,

wo sich 1945 Amerikaner und Russen die Hand reichten.

80 Jahre Kriegsende - unsere geschichtliche " Geburtsstunde "