Alexander

Pressemitteilung des Sächsischen Landtages 10 / 2020 vom 2.7.2020

 

 

Feierliche Übergabe des Bundesverdienstkreuzes an Alexander Latotzky am 4.7.2020

 

am 4. Juli 2020 überreicht der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen Michael Kretschmer stellvertretend für den Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz am Bande an Alexander Latotzky. Der Bundespräsident ehrt damit Menschen, die sich auf besondere Weise für unser Gemeinwesen verdient gemacht haben.

 

Alexander Latotzky engagiert sich seit Jahrzehnten für die Aufklärung von kommunistischem Unrecht in der SBZ und DDR. Nicht nur als Vorsitzender des Bautzen-Komitees, sondern auch als Zeitzeuge setzt er sich für eine vitale Aufarbeitung und für den Dialog mit nachfolgenden Generationen ein.

 

Selbst 1948 im sowjetischen Speziallager Nr. 4 in Bautzen geboren und früh von der Mutter getrennt, erlebte er politische Verfolgung hautnah. Nachdem es seiner Mutter 1957 gelang, ihn nach West-Berlin zu holen, geriet dieses Kapitel in den Hintergrund. Doch mit dem Mauerfall holte ihn die Vergangenheit ein. Was damals mit der Suche nach dem eigenen Vater begann, wurde ein umfangreiches Forschungsprojekt. Er gründete den Verein „Kindheit hinter Stacheldraht e. V.“ und erforscht seitdem die Schicksale von in Lagern und Gefängnissen geborenen Kindern. Mittlerweile konnte er viele Schicksale aufklären und so Mütter und Kinder zusammenbringen. Bis heute organisiert er regelmäßig Treffen der Kinder und ihrer Familien. Und bis heute melden sich immer wieder Menschen, die erst nach Jahrzehnten durch seine Publikation, seine Ausstellung oder durch seine Internetpräsenz auf das Thema aufmerksam werden und die eigenen Wurzeln finden. Dass dieses weitgehend unbekannte Kapitel einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, ist das Verdienst von Alexander Latotzky. In der Pressemit-teilung des Ministerpräsidenten heißt es: „Durch seine Recherchen in deutschen und russischen Archiven hilft er mit, dass “Lagerkinder" Informationen über ihre russischen Väter erhalten und dass auch in Russland über die deutschen Opfer des Stalinismus berichtet wird.“

 

Der Landesbeauftragte beglückwünscht Alexander Latotzky zum Verdienstorden:

„Die Aufarbeitung von politischem Unrecht ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Neben den staatlichen Institutionen braucht es vor allem das private Interesse, das bürgerschaftliche Engagement. Das Ehrenamt hält die Erforschung der Vergangenheit und das Gedenken persönlich relevant und lebendig. Das Wirken von Alexander Latotzky ist hier herausragend, weil es Erkenntnis mit Verständigung verbindet und eine Brücke in die Zukunft baut.“

Oktober 2019: In der Frankfurter Rundschau steht ein Artikel über Alexander.


Konzentrationslager Sachsenhausen (Nähe Berlin)


Nachdem dieses KZ der Nazis befreit worden war, benutzte die UdSSR es nur drei Monate später als Speziallager Nr. 7/1. Zehn solcher Lager gab es, in denen mind. 123.000 Deutsche inhaftiert wurden. Sie waren große und kleine NSdAP-Mitglieder, Sozialdemokraten und alle, die als Feinde des Sozialismus galten. Eine Denunziation reichte schon aus, um für Jahre hinter Gittern zu verschwinden. Als 1950 mit Bautzen, Buchenwald und Sachsenhausen die drei letzten Lager geschlossen wurden, zählte man über 42.000 Menschen, die ihre Haft in einem der Lager nicht überlebt hatten. Sie waren verhungert, erfroren oder an Krankheiten gestorben.

Unter den Lagerinsassen waren auch Frauen, die bei der Verhaftung schon schwanger waren oder im Lager schwanger wurden. Ohne ärztliche Hilfe brachten sie ihre Kinder hier zur Welt und versuchten sie am Leben zu halten. Da Kinder nicht registriert wurden, erhielten sie weder Essenrationen, noch Kleidung, Windeln oder Spielzeug.

1.200 Frauen und ca. 30 Kinder wurden mit der Auflösung des Lagers Sachsenhausen an die DDR übergeben und kamen in das Frauengefängnis Hoheneck, wo sie ihre Strafe absitzen sollten. Jetzt trennte man die Mütter und Kinder und schickte die Kinder in spezielle Kinderheime. Zehn Jahre verbrachte Alexanders Mutter in verschiedenen Gefängnissen, bis sie unter spektakulären Umständen ihr Kind zurückbekam.

Alexander L. wurde 1948 im Lager Nr. 4 in Bautzen geboren. Der Vater  war ein  ukrainischer Zwangsarbeiter und späterer Wachsoldat, der eine echte Liebesbeziehung zu Alexanders Mutter gehabt hatte und dafür in den GULag geschickt wurde. 1999 fand Alexander ihn in Russland.


Die Lebensgeschichte von Alexander ist unglaublich, mit vielen Facetten menschlichen Leids, aber auch der Hoffnung auf eine bessere Welt. Ob daraus allerdings die Menschheit gelernt hat?


Wer mehr zu den Kindern von Sachsenhausen erfahren möchte, kann sich diese Fernsehdokumentationen ansehen.



Hinter Stacheldraht geboren (43 Minuten, ein Film von Peter Grimm, MDR 2008)

 

Kindheit hinter Stacheldraht (43 Minuten, ein Film von Hans-Dieter Rutsch, 2000)



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