Christina

Chronologie einer erfolgreichen Suche

 

Moskau 9. Mai 2020 Es erscheint ein Artikel in "Argumente und Fakten" als Resultat eines Interviews mit einigen von uns Ende Februar in Berlin.

Sergej aus Orjol liest dies und möchte seine Tante in Deutschland finden, die sein Opa 1948 zurücklassen musste.

Er schreibt uns Distelblüten an. Die Fakten sind mager, nur Vornamen, Zahlen unsicher, Geburtsort Döbeln.


15. Mai - die Recherche beginnt bei Standesämtern, Einwohnermeldeamt, Geburstarchiven. Negative Ergebnisse.


27. Mai In der Döbelner Allgemeinen Zeitung erscheint ein Artikel, ob sich jemand erinnert. Keine Rückmeldung.


Da Christinas letzter Brief aus Görlitz stammt, beginnt da die Suche aufs Neue.


22.6.20

In der Sächsischen Zeitung - Ausgabe Görlitz - erscheint  ein ähnlicher Artikel.


2.7.20 Es meldet sich der Bruder von Valentina. Wie in vielen Lebensgeschichten sind einige Informationen zu korrigieren, weil Erinnerungen sich im Laufe der Zeit ändern. So ist Valentina 1948 geboren und Christina war wohl begeisterte Tänzerin, aber nicht beruflich in einem Theater. 


5.Juli 2020

Die Anschriften zu Sergej sind ausgetauscht, Fotos wurden verschickt. Auf einem Bild hält Andreas ein Foto hoch, dass auch Sergej uns schon übermittelt hat.


Wir wünschen beiden Familien eine glückliche Zeit. Eine immer wieder offene Lücke der Vergangenheit ist geschlossen.

Sehr geehrte Frau Ljudmila Iwanowa und sehr geehrter Herr Sergej Repetzky!


Mit großem Interesse und voller Emotionen haben wir den Artikel über die Suche nach Zeitzeugen bzw. Verwandten von Christina und deren Tochter Valentina gelesen.

Wir, das sind meine Schwester Evi (Halbschwester von Valentina) und ich, Andreas (Halbbruder von Valentina) sowie alle unserer großen Familie.


Schade, dass meine Mutter und Halbschwester Valentina davon nicht mehr erfahren können. Meine Mutter, Christa .. lebt leider nicht mehr. Sie verstarb am 27.04.2013 im Alter von 85 Jahren.

Unsere Halbschwester Valentina hat uns aufgrund einer Erkrankung schon viel zu früh am 19.03.1980 im Alter von 31 Jahren verlassen.


Wir wussten zwar, dass unsere Schwester einen russischen Vater hatte, erfuhren es aber erst im Erwachsenenalter und in der Familie wurde nicht offen darüber gesprochen.


Gern möchten wird der Halbschwester Ljudmila Iwanowa und dem Enkel von Iwan erzählen, wie das Leben von Christina und Valentina verlaufen ist, nachdem Iwan Pawlowitsch Wigerjaw in seine Heimat zurück kehren musste.


Meine Großeltern mütterlicherseits holten meine Mutter mit Valentina von Döbeln nach Görlitz in ihre Obhut.

Im Februar 1950 lernte meine Mutter meinen Vater kennen und lieben. Sie wurde schwanger und die beiden heirateten im Juni 1950. Durch die Heirat nahm mein Vater Valentina als Kind an. Sie trug den gleichen Familiennamen, wurde von da an aber mit ihrem zweiten Vornamen „Gabriele“ (Gabi) als Rufname genannt.

Wir hatten eine unbeschwerte Kindheit, beide Großeltern wohnten in Görlitz, die Familie hielt zusammen und man unterstützte sich gegenseitig.

1963 wurde meine Schwester Evi geboren.

Meine Eltern waren bis zum Tod meines Vaters 2002 über 50 Jahre glücklich verheiratet.


Gabi (Valentina) war eine sehr gute Schülerin, sie machte ihr Abitur, studierte dann in Berlin, lebte und arbeitete dort bis 1978 in der Elektronischen Datenverarbeitung.

Aufgrund einer Erkrankung zog sie 1978 in die Nähe ihrer Familie zurück nach Görlitz. Sie starb leider viel zu früh am 19.03.1980.

Auf ihrem Grabstein stand „Valentina“. So wollte man nach ihrem Tod der Wahrheit wohl auf diese Weise gerecht werden.


Meine Mutter arbeitete bis zu ihrer Pensionierung in der Verwaltung. Sie war eine liebevolle und warmherzige Mutter, Groß- und Urgroßmutter, der Familie immer viel bedeutete.

Sie liebte auch ihren Garten, auf dessen Blütenpracht sie sehr stolz war.


Wir hoffen, dass auch das Leben von Iwan nach der Rückkehr in seine Heimat einen guten Verlauf genommen hat.

Ljudmila Iwanowa, der Halbschwester von Valentina und dem Enkel Sergej in Orjol wünschen wir vor allem Gesundheit und möchten uns für ihr Interesse am Schicksal unserer Mutter und Schwester herzlich bedanken.


Ein großer Dank und Bewunderung gilt „Distelblüten – Russenkinder in Deutschland“ für die unermüdliche Arbeit, um das Schicksal der „heimlichen“ Kinder aufzuarbeiten.


Mit freundlichen Grüßen

Andreas G


Kind
Mutter-Kind
Mutter
Vater

С уважением,

Репецкий Сергей

 

Винфрид, добрый день! Хочу еще раз поблагодарить вас за помощь в поисках Кристины, Валентины их родственников! Дай вам Бог здоровья и успехов во всем! Вы делаете доброе и нужное людям дело. Я верил, что у нас получится найти Кристину, Валентину, их родственников. Андреасу написал на указанный адрес, он пока не ответил. Жду. Будем общаться. Спасибо вам! Спасибо! Спасибо! Не хочется с вами прекращать общение. Может какая помощь нужна от меня. Обращайтесь! Чем смогу помогу. С уважением, Сергей.

Lyudmila Iwanowna hat das Foto und den letzten Brief von Christina aufgehoben. Valentina ist die Halbschwester.

Erste Anfrage von Sergej


In der Zeitung Argumente und Fakten las ich einen Artikel darüber, dass viele deutsche Kinder sowjetischer Soldaten ihre Verwandten in der ehemaligen Sowjetunion suchen. Und, dass es Ihre Gruppe "Distelblüten" gibt. Es ist sehr gut dass Sie das tun.


Wir haben eine ähnliche Geschichte in unserer Familie: Mein Großvater

 

Iwan Pawlowitsch Wigerja,

geboren 1925,


war zu Kriegsende in Berlin und diente weiter in Deutschland. Aus familiären Quellen wurde bekannt, dass er in Deutschland eine Frau, eine Geliebte namens Christina (oder Kristina) hatte. Der Nachname ist uns leider unbekannt.


Die Beiden verband eine große gegenseitige Liebe. Christina bekam 1947 von meinem Großvater eine Tochter und nannte sie Valentina.

Valentina ist also die Schwester meiner Mutter väterlicherseits und meine Tante.


Wir wissen, dass sie in Görlitz und Döbeln gelebt haben. Der Großvater kehrte nach dem Ende des Dienstes 1947 in seine Heimat zurück. In der Familie gibt es Fotos von Christina mit ihrer Tochter (1949) und einen Brief von Christina an meinen Großvater von 1950. Aus unbekannten Gründen ist die Kommunikation und Korrespondenz abgebrochen. Der Großvater blieb in der UdSSR und Christina in Deutschland.


Es war ihnen nicht bestimmt, dass ihr Glück wahr werden konnte und beide litten.

Jetzt möchten wir Christina, die Schwester meiner Mutter und ihr Kind Valentina finden.

Bitte helfen Sie bei der Suche. Wir wären sehr glücklich, Verwandte zu finden, vielleicht suchen sie auch uns!

Винфрид, здравствуйте! Прочитал газете Аргументы и Факты статью, о том, что многие дети советских солдат ищут своих родственников в бывшем Советском Союзе.

О том, что существует Ваша группа «Цветы чертополоха». Очень хорошо, что вы этим занимаетесь.

У нас в семье аналогичная история: мой дед Вигеря Иван Павлович, 1925 г.р. закончил войну в Берлине и дальше служил в Германии. Из семейных источников стало известно о том, что в Германии у него была  любимая женщина,  зовут Кристина (фамилия к сожалению нам неизвестна). У них была большая взаимная любовь. У Кристины от моего дедушки в 1947 году родилась дочь и назвали ее Валентина.

Соответственно Валентина является родной сестрой моей маме по отцовской линии, а мне тетей. Нам известно, что проживали они в городе Герлиц и городе Дёбельн. Дед по окончании службы в 1947 году вернулся на Родину. В семье имеются фотографии Кристины с дочерью (1949г.), письмо написанное Кристиной моему деду (1950 г.) Далее по известным причинам связь и переписка оборвалась. Дед остался в СССР, а Кристина в Германии. Их счастью не суждено было сбыться и оба они страдали.

В настоящее время мы хотели бы найти Кристину, сестру мамы Валентину, ее детей.  Если возможно, помогите пожалуйста в поисках! Будем очень рады найти родственников, возможно и они нас ищут!

 

Фото: Вигеря Ивана Павловича, Кристины и их дочери Валентины прилагаю.

 

С уважением,

Репецкий Сергей

Россия.



Letzter Brief von Christina an Iwan


Görlitz 06.01.1950


Mein lieber guter Mann Wanuscha ! 

Habe nun seit dem 28.10.1949 keine Briefe mehr von Dir bekommen. Warum lässt Du mich so lange warten? Was ist mit Dir los, bist Du krank? Oder hast du uns vergessen? Auch von Deinem Papa habe ich so lange keine Post mehr bekommen.


Mein Vitja, bitte schreibe mir bald, was eigentlich los ist.. Ich bin ganz verzweifelt und auch sehr traurig. Ich warte so sehr auf einen Brief von Dir, und jeden   Tag warte ich umsonst.


Mein Lieber, wie geht es Dir? Bist Du noch gesund und munter? Wie hast Du Silvester und Weihnachten verlebt? Hast Du auch einmal an uns gedacht? Valja hat viele Geschenke zu Weihnachten bekommen. Zwei Puppen, ein Klavier, einen Puppenwagen, zwei Kleider, einen Mantel und vieles, vieles mehr.

Vitja, Valja hat vor dem Weihnachtsbaum gestanden und ihre blauen Augen haben gestrahlt und sie hatte ganz rote Backen.

Dein Bild hat auch beim Weihnachtsbaum gestanden.  Wie schön wäre es, wenn wir zusammen sein könnten. Von Berlin habe ich noch immer keine Post. Hast Du schon einmal dahin geschrieben?


Mein lieber guter Wanuschka,  Du hast nun auch  bald wieder Geburtstag. Wie schön war es damals in Döbeln, nun sind es bald zwei Jahre.


Mein liebes Herzel, ich wünsche Dir zum Geburtstag alles, alles Gute, viel Glück und Gesundheit, und vor allem, dass Deine Wünsche alle in Erfüllung gehen. Bitte, mein Geliebter, lass mich nicht mehr so lange warten und schreibe mir bitte, bitte. Ich bin schon ganz krank, ich könnte manchmal verrückt werden. 


Immer denke ich, Du hast schon ein anderes Fräulein. Bitte schreibe mir die Wahrheit, bitte nicht schwindeln.


Bitte grüße Deine lieben Eltern von mir. Auch von meiner Mutti und von Vati viele liebe Grüße.

Also mein Geliebter, denke immer an mich und schreibe mir recht bald.


Heiß und fest küsse ich Deinen lieben Mund und drücke Dich fest an mein Herz.


Immer und ewig Deine treue Frau Christina und Tochter Valja